Nahrungsergänzungsmittel: Erst Messen, dann Handeln

Nahrungsergänzungsmittel (NEMs) liegen klar im Trend: Viele Menschen greifen zu Vitaminen, Mineralstoffen oder Pflanzenextrakten, weil sie ihrer Gesundheit etwas Gutes tun wollen. Laut einer repräsentativen Online-Befragung im Auftrag der Verbraucherzentrale Bundesverband nutzen 77 Prozent der Deutschen NEMs, mehr als die Hälfte mindestens einmal die Woche.  Doch ist die pauschale Einnahme solcher Präparate tatsächlich sinnvoll?

Was sind Nahrungsergänzungsmittel?

NEMs enthalten meist Vitamine, Mineralstoffe inklusive Spurenelemente, Aminosäuren, Fettsäuren oder Pflanzenextrakte – einzeln oder in Kombination. Sie werden vor allem in Form von Tabletten, Kapseln oder Pulvern angeboten, gelten rechtlich jedoch nicht als Arzneimittel, sondern als Lebensmittel. Für NEMs gilt daher nicht das strenge Arzneimittelrecht, weshalb sie keiner behördlichen Zulassung bedürfen. Das bedeutet: Sie haben keine geprüfte Wirksamkeit, und für ihre Sicherheit ist allein der Hersteller verantwortlich.

 

Hype und Halbwissen

Marktanalysen zeigen, dass NEMs immer beliebter werden: Umsatz- und Absatzzahlen steigen seit Jahren deutlich an. Gründe dafür sieht die Verbraucherzentrale Bundesverband unter anderem in irreführender Werbung. Besonders auf sozialen Medien wie Instagram oder TikTok preisen Influencerinnen und Influencer NEMs oft mit Wirkungen an, die wissenschaftlich nicht belegt sind.

Problematisch sind zudem verbreitete Missverständnisse um NEMs: Fast die Hälfte der Deutschen glaubt fälschlicherweise, dass sie vor Markteinführung auf Unbedenklichkeit geprüft werden und 21 Prozent glauben, dass sie zu einer gesunden Ernährung dazu gehören.

 

Nutzen vs. Risiken

Möglicher Nutzen

„Deutschland ist kein Vitaminmangelland“ – dieser Satz hält sich hartnäckig, doch stimmt er wirklich? Die Antwort lautet „Jein“. Schwere Mangelerkrankungen wie Skorbut oder Rachitis kommen hierzulande nur noch selten vor. Allerdings treten leichte oder subklinische Mikronährstoffdefizite, also Defizite ohne eindeutige Symptome, durchaus häufig auf. Besonders Vitamin-D-Mangel betrifft große Teile der Bevölkerung. Auch eine internationale Studie zur Mikronährstoffzufuhr zeigt: Die Mehrheit der Weltbevölkerung ist unzureichend versorgt, und auch Deutschland und andere westliche Länder sind betroffen.

Solche Defizite äußern sich häufig nicht sofort eindeutig, jedoch können unspezifische Symptome wie anhaltende Müdigkeit, erhöhte Infektanfälligkeit, Haarausfall oder depressive Verstimmungen auftreten. Werden Mangelzustände erkannt und gezielt ausgeglichen, kann das die Lebensqualität verbessern und möglicherweise sogar das Risiko für bestimmte chronische Erkrankungen senken.

 

Risiken der ungezielten Einnahme

Ist es sinnvoll, NEMs vorsorglich einzunehmen, damit Mikronährstoffdefizite gar nicht erst auftreten?

Fachgesellschaften sowie Expertinnen und Experten raten aufgrund möglicher schädlicher Wirkungen von einer pauschalen Einnahme von NEMs ab. Langzeitstudien zeigen bislang keinen klaren Nutzen einer pauschalen Supplementierung bei Gesunden. Im Gegenteil, das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) warnt beispielsweise ausdrücklich: „Wer hoch dosiert Vitamine einnimmt, ohne dass es nötig ist, riskiert eine Überversorgung und damit unerwünschte Auswirkungen auf die Gesundheit.“

Regelmäßig veröffentlicht das BfR Warnungen zu bestimmten NEMs, zuletzt zu Ashwagandha-Präparaten. Die Pflanzenextrakte aus der ayurvedischen Medizin werden mit vermeintlichen gesundheitlichen Wirkungen wie Leistungssteigerung oder besseres Einschlafen beworben. Die Wirkungen sind wissenschaftlich nicht ausreichend belegt, aber Fallberichte über mögliche Leberschäden liegen bereits vor.

Doch nicht nur exotische Pflanzenextrakte bergen Risiken. Auch lebensnotwendige Mikronährstoffe können bei zu hoher Einnahme schaden. Beispiele hierfür sind fettlösliche Vitamine wie Vitamin A, D und E, die sich bei Überdosierung im Fettgewebe und Leber einlagern können. Ebenso können Spurenelemente, die der Körper nur in geringen Mengen benötigt, in zu hoher Dosis toxisch wirken.

Zudem werden NEMs häufig ohne ärztliche Rücksprache eingenommen. Dabei können Kombinationen mit anderen NEMs oder mit Arzneimitteln zu Wechselwirkungen führen, die Nebenwirkungen verstärken oder gewünschte, ggfs. therapeutische Wirkungen beeinträchtigen können.

Ein weiteres Problem: NEMs können eine falsche Sicherheit vermitteln. Selbst ein Präparat, das alle Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente enthält, ersetzt keine ausgewogene Ernährung. Wer beispielsweise zu wenig Obst und Gemüse isst, nimmt zu wenig Ballaststoffe auf – dabei sind diese wertvoll für eine gesunde Darmflora.

 

Lösung: Erst Messen, dann Supplementieren

Gewissheit durch Blutwertbestimmung

Dennoch können NEMs durchaus sinnvoll sein, nämlich dann, wenn tatsächlich ein Nährstoffmangel vorliegt. Dieser lässt sich in den meisten Fällen durch eine einfache Blutuntersuchung feststellen.

Nur in bestimmten Situationen empfehlen Experten eine Supplementierung ohne vorherige Blutwertbestimmung, etwa Vitamin B12 bei veganer Ernährung oder Folsäure bei Frauen mit Kinderwunsch.

Übrigens: Auch eine vorsorgliche Einnahme bietet keine Garantie für eine ausreichende Versorgung. Ein Nährstoffmangel kann trotz Supplementierung auftreten, z.B. aufgrund:

  • Erhöhten Bedürfnissen: Z.B. während der Schwangerschaft, bei Leistungssportlern oder im höheren Alter.
  • Falscher Dosierung: In einigen Fällen kann die Dosierung der Nahrungsergänzung zu niedrig für die individuellen Bedürfnisse sein.
  • Wechselwirkungen: Manche Mikronährstoffe behindern sich gegenseitig bei der Aufnahme.
  • Ungünstigen Einnahmegewohnheiten: Bestimmte Nahrungsmittel können die Aufnahme von Mikronährstoffen beeinflussen.
  • Malabsorption: Chronische Darmerkrankungen können beispielsweise dazu führen, dass einige Mikronährstoffe im Darm schlechter aufgenommen werden.

 

Gezielt Gegensteuern

Lassen Sie sich bei einem Nährstoffmangel am besten von Ihrer Ärztin/ Ihrem Arzt oder in Ihrer Apotheke zu einem geeigneten Präparat beraten. Bei einer leichten Unterversorgung kann mitunter bereits eine gezielte Ernährungsumstellung ausreichen. Die optimale Dosierung hängt nicht nur vom gemessenen Wert, sondern auch von weiteren Faktoren wie Körpergewicht, Alter oder bestehenden Vorerkrankungen, ab.

Praxistipps:

Mikronährstoffe können in verschiedenen chemischen Formen vorliegen, die unterschiedlich gut vom Körper aufgenommen bzw. verwertet werden. Lassen Sie sich hierzu in Ihrer Apotheke beraten.

Beachten Sie bei der Einnahme eines Präparats mögliche Wechselwirkungen mit Nahrungs- und Arzneimittel. Fragen Sie auch hierzu medizinisches Fachpersonal.

Lassen Sie Ihre Werte regelmäßig kontrollieren, um den Erfolg Ihrer Maßnahmen (Supplementierung oder Ernährungsumstellung) zu überprüfen. Oft wird eine Kontrollmessung ca. 3 Monaten nach Beginn der Einnahme empfohlen.

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